35 % aller Sportverletzungen im Sport (Fußball und Leichtathletik) betreffen die Muskulatur. Auch bei Freizeitsportlern gibt es häufig Muskelverletzungen. Als Athletikcoach ist man oft in der akuten Verletzungssituation dabei und leistet die Erstversorgung am Athleten.
Die klassische Akutbehandlung eines Faserrisses sieht das sofortige Ruhigstellen des Muskels vor. Ich bevorzuge in der Praxis ein alternatives Vorgehen – mit großem Erfolg, vor allem langfristig.
Wie entsteht ein Muskelfaserrisss eigentlich?
Verletzungen treten häufig bei Schnellkraftbelastungen wie bei Sprüngen und Sprints auf. Auch bei Stürzen (Abfangbewegung) kann es zu Faserrissen kommen. Die Elastizitätsgrenze der Muskeln wird überschritten und es kommt zur Zerrung (Vorstufe) oder zum Riss des Muskels. Dabei gilt es zu beachten, dass es selbst bei kleineren Zerrungen zum Blutaustritt kommt. Eine nicht vorhandene Erwärmung der Muskulatur vor der Belastung oder Ermüdung sind mögliche Ursachen für Muskelverletzungen.
Die Lehrbuchmethode – und eine Alternative dazu.
Nach Lehrbuch erfolgt die Erstversorgung der Verletzung nach dem PECH-Schema. Das sofortige Pausieren (Pause), Kühlen (Eis), das Anlegen eines Druckverbandes (engl. Compression) sowie die Hochlagerung der betroffenen Extremität ist das Mittel der Wahl.
Aber man sollte schon bei der Akutbehandlung den langfristigen Heilungsverlauf im Blick haben. Und da scheint ein anderes Prozedere sinnvoll. Nämlich den Muskel zusätzlich auf Spannung zu bringen! Dazu muss ich ein wenig ausholen:
Durch den Muskelfaserriss kommt es zu einer Einblutung ins Gewebe. Das Blut gerinnt und wird danach bindegewebig durchbaut. Herkömmlicherweise wird der Riss als Sofortmaßnahme mit ein Druckverband komprimiert und der betroffene Muskel entspannt. Es entsteht eine Narbe mit einer definierten Länge, siehe Abb. a). Sehr häufig kommt es nach der Genesung (Rekonvalesenz) in dem Moment zu erneuten Verletzungen, wo Spitzenbelastungen auftreten, da es an den Enden der Narbenbildung zu erneuten Einrissen und Einblutungen kommt. Der Grund dafür: Durch die Narbe kommt es zu einem veränderten, unvorteilhaften Längen-Spannungs-Verhältnis der Muskulatur.
Um dies zu verhindern bevorzuge ich ein anderes Behandlungsregime.
In der Akutversorgung bringe ich den Muskel meiner Athleten auf Dehnung und lasse sie den Muskel zusätzlich noch etwas anspannen. Was passiert? Die Muskelfaserriss-Enden werden auf noch größeren Abstand zueinander gebracht, sh. Abb. b). Es wird eine längere Strecke der Vernarbung ausgesetzt. Hierdurch kommt es zu einer geringeren Veränderung des Längen-Spannungs-Verhältnisses im Muskel. All dies muss im akuten Zustand erfolgen und sollte für 15-20 Minuten aufrecht erhalten werden. Zeitgleich wird ein Druckverband angelegt, der ein starkes Einbluten – und damit eine längere Reparaturzeit und Genesungszeit zur Folge hat – verhindert.
Die Praxis hat gezeigt, dass diese alternative Erstbehandlung die Beschleunigungsarbeit bei Athleten schnell und nachhaltig positiv beeinflusst. Die unmittelbare Behandlung hat also einen wesentlichen Einfluss auf die Dauer der Verletzung.
Abbildung: Einblutung nach Muskelfasserriß (rot dargestellt). Bei der herkömmlichen Behandlungstechnik wir die Strecke (a) bindegewebig (narbig) überbrückt – bei der Dehn-Kompressionstechnik ist die Bindegewebsstrecke (b) deutlich länger.
In meinem individuellen Athletik-Coaching betreue ich verletzte Athleten und helfe, eine Trainingsroutine wiederherzustellen und sie wieder fit für den Wettkampf zu machen. Sie sind selber Leistungssportler und kämpfen mit den „Nachwehen“ einer Verletzung? Dann freue ich mich über einen Austausch!
Literatur:
MÜLLER-WOHLFAHRT H.-W., UEBLACKER P., HÄNSEL L. (2014):
Muskelverletzungen im Sport, Georg Thieme Verlag, Stuttgart
ORCHARD, J.W., BEST, T.M. (2002):
The Management of Muscle Strain Injuries: An early return versus the risk of recurrence. In: Clinical Journal of Sport Medicin, Bd.12, S. 3-5
PLESCH Ch., SIEVEN R., TRZOLEK D. (2012):
Prävention, Diagnostik und Therapie, Erste-Hilfe-Maßnahmen. In: Handbuch Sportverletzungen, Meyer & Meyer Verlag, Aachen, 2. Auflage